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aus dem Seelsorgeraum

Versöhnung wagen - Ostern leben

Betrachtung eines Deckenbildes in der Kirche von St. Andrä in Graz von Diakon Helmuth Zipperle

Man ist zunächst ganz schön irritiert, wenn man zur Decke schaut in der Kirche von St. Ändrä in Graz, wo unser Bischof Hermann Glettler einige Jahre Pfarrer war.

Eine „Kratzelei“, ein Durcheinander von Kurven und Linien, und in der Mitte eine Lichtscheibe, die auf ganz mystische Weise Ruhe und einen wohltuenden Blick auf das Kunstwerk eröffnet.
Die roten Formen möchten die verletzte, verwundete, überforderte Welt widerspiegeln, mit allen Verirrungen, Sackgassen, Ausweglosigkeiten, ja mit all dem, was nach Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden schreit. Es ist im Grunde ein sehr österliches Bild, und wenn man genau hinschaut, münden manche Linien in das Licht hinein. Eine gewisse Faszination geht von diesem Deckengemälde aus, und man konnte es auch bei den anderen Besuchern der Kirche spüren.

Im Zentrum das Licht
Was noch berührt an diesem Kunstwerk, ist die Leichtigkeit, die es ausstrahlt. Das Licht sammelt, verbindet, ja erlöst das Verfahrene, Verlorene, Verirrte in den roten Kurven und Strichen. Dieses Licht an der Decke steht für Ostern.

Befreiung zum Leben
Und doch kommt man auf dem Weg nach Ostern nicht am Grab vorbei. Dieses ist immer auch Sinnbild für all das im Leben des Menschen, was verschüttet, unversöhnt, blockiert, ja „begraben“ ist. Ein Bild für all unsere Chancen und Möglichkeiten, die nicht oder noch nicht zur Entfaltung gekommen sind.
Und wie Maria Magdalena sich am Ostermorgen zum Grab Jesu aufmacht, entdeckt sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war. Er ist ein schlichtes, aber umso eindringlicheres Bild für Auferstehung - dieser weggewälzte Stein. An die Auferstehung glauben, heißt „Gott zutrauen, dass er Steine wegwälzt“, damit Leben möglich wird, damit Leben neu entstehen, wachsen, aufleben kann. Der weggewälzte Stein ist ein Bild für die Befreiung zum Leben.
Und damit hat Ostern auch einen zutiefst versöhnenden Charakter. Der Weg auf Ostern hin ist Einladung und Ermutigung, die ganz persönliche Lebensrealität anzuschauen: Steine, die blockieren, versperren, behindern, zu erkennen, vielleicht auch zu benennen, und etwas Positives daraus zu machen, was neue Wege eröffnen kann.

Vielleicht können ein paar Impulsgedanken dazu helfen:
Vergebung beginnt immer bei mir selber. Was ist es, was mich im Grunde beschäftigt, bewegt; was ist mir „heilig“?
Was kommt und geht immer wieder in Gedanken; wo spielen negative Gefühle mitherein, vielleicht Schuldgefühle; Gefühle, die mein Leben bestimmen, auch belasten?
Überfordere ich mich und andere? Maßvolles und nachhaltiges Leben - was ist mein Beitrag dazu?
Bin ich gerne mit Menschen beisammen, wo weiche ich aus, wo suche ich Kontakt und Gemeinschaft mit ihnen? Wo wäre ein klärendes Gespräch wichtig?
Brauche ich oft Ausreden, Notlügen, um mich selbst zu schützen? Kann ich „ich selber sein“ oder spiele ich verschiedene Rollen; welche?
Wie gehe ich mit Menschen um, die mich kränken, ausgrenzen, meiden?
Traue ich Gott zu, dass er mich bejaht so wie ich bin, mir Sinn, Halt, Zukunft geben will?

Ein Kreuz mit zwei Händen
Vor Jahren hat unser bekannter Stubaier Künstler Franz Niederleimbacher ein Ansteckkreuz gestaltet, ein Kreuz mit zwei Händen, die einander suchen, begegnen und berühren wollen – sozusagen dem Kreuz die Schärfe, das Harte, Abweisende nehmen möchten. Zwei Hände, die Auferstehung im Alltag spürbar machen durch Menschen, die einander beim Leben helfen, es erträglicher, lebenswerter, sinnvoller machen. Menschen, die ab und zu ein gutes Wort parat haben, die andere stärken, ihnen Mut machen, sodass sie neue Ansätze und Perspektiven sehen.
So wird Versöhnung und Auferstehung konkret, und das in den kleinsten, banalsten und alltäglichsten Dingen des Lebens. Es ist wirklich ein Versuch wert: Versöhnung wagen – Ostern leben.
Gesegnete Zeit!

 

Helmuth Zipperle, Diakon